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Bericht zur Euro 2022 (Classic)

Vorneweg möchte ich betonen, dass ich die Foilerpiloten bewundere und tief beeindruckt bin, wie die Jungs ihre Boote bei Garda-Bedingungen um den Regattakurs jagen. Vom Renngeschehen selbst habe ich jedoch zu wenig mitbekommen, um darüber zu schreiben. Vielleicht übernimmt das ja noch jemand aus der Foilerkategorie...

Auf Initiative von Rainer Bohrer konnte der Circolo Vela Arco rund 100 A-CAT’s zur Europameisterschaft 2022 willkommen heissen. Ich reise schon am Mittwoch an und kann mein Boot in Ruhe auf dem windgeschützten Rasen hinter dem Club aufstellen. Alles scheint noch ruhig und entspannt, was sich schlagartig ändert als ein Lastwagen mit nigelnagelneuen Booten einfährt… Während die einen ihre neuen Boote ausrüsten, sind die anderen eifrig am Testen auf dem Wasser.
Bei guten Windverhältnissen kann am Donnerstag und Freitag trainiert werden, wobei die Hartgesottenen jeweils den Nordwind am Morgen nutzen. Am Freitag wird die Classic-Flotte dann auf den Kies-Strand nach vorne gezügelt. Eine nicht ganz einfache Übung, ist doch der direkte Weg beim Surfclub vorbei nicht erlaubt und die Trailer über den tiefen Kies zu ziehen nur mit dem Traktor möglich.


Classic-Bootsplatz am Strand

Am Samstag sind alle installiert und machen sich bereit für das „practice race“ vom Sonntag. Vorher werden aber noch alle Classic-Boote gewogen und gescheckt, dass alle Kleber ordnungsgemäss am richtigen Ort angebracht sind. Das Vermesserteam wird im Laufe der Woche mit Stichproben die Boote prüfen.
Bei schöner Ora wird der Kurs gesetzt. Leider zu nördlich, so dass wir mitten in die Surfschule am Felsen fahren müssen, um die Luvboje in einem Schlag zu erreichen. Zum Glück ist es nur practice race und wir segeln im Slalom um die verdutzten, zum Teil im Wasser schwimmenden Surfschüler. Für beide kein Spass!
Wie gewohnt, lassen sich noch nicht alle in die Karten schauen und man verzichtet auf eine Rangliste. Am Abend gibt es dann die offizielle Eröffnung mit einem Fahnenprozedere rund ums Clubhaus.


Opening Ceremony

Am Montag geht’s endlich los. Die Classic dürfen zuerst raus und segeln zwei wunderschöne Läufe. Moritz Weis fährt mit seinem AD3 einen sagenhaften downwind-Speed und zeigt mit zwei sauberen Laufsiegen allen, wen es diese Woche zu schlagen gilt.


Moritz Weiss downwind

Die üblichen Verdächtigen waren jedoch alle in den Top ten. Das Classicfeld ist sehr ausgeglichen und entsprechend spannend sind die Positionskämpfe. Nur ein kleiner Fehler hier und Unachtsamkeiten da, kosten sofort zwei, drei Plätze und andererseits gewinnt man mit einer guten Halse zum richtigen Zeitpunkt auch gleich wieder zwei. Die Regattaleitung hat den Kurs heute ein paar hundert Meter weiter nach Süden gelegt, so dass wir nicht genau vor der Kite- und Surfschule wenden müssen, wie beim practice-race.
Auch am zweiten Tag ist die Ora wieder pünktlich zur Stelle. Es ist ein typischer Garda-Parcours. Start beim Schiff, sofort wenden, rüber zum Felsen, Wende, hochziehen zum Dogleg, Halse um die Boje, rüber zum Felsen, Halse, Vollgas zum Gate. Scotty schnappt sich beide Läufe und führt jetzt das Zwischenklassement klar an. Dahinter folgen die stark und konstant segelnden Spanier und Moritz.


Gustavo Doreste, European Champion 2022

Die Konkurrenz in den Top 15 ist stark. Ein mässiger Start und schon wird es hart in die Top 10 zu fahren, zumal auf dem nördlichen Kurs, die taktischen Varianten beschränkt sind. Alberto kann davon ein Lied singen.
Der dritte Tag bringt für uns „Classics“ dann nur einen Lauf bei deutlich mehr Wind als am Vortag. Der Wind frischt am Start auf über 20 kn auf und dreht nach links. Die Startlinie ist so ausgelegt, dass die Leeseite die Mutigen zu einem Steuerbordstart herausfordert, der sich dann auch ausbezahlt. Drüben am Felsen ist es fast unmöglich das Boot sauber zu fahren. Auf der Welle hebt es ab und versetzt um ein paar Meter – Rodeo am Limit. Auf dem Downwind gibt es mehrere Kenterungen. Micky holt sich dabei eine tiefe Schnittwunde am Arm die genäht werden muss. Für ihn ist die Euro 2022 frühzeitig zu Ende.
Für den letzten Upwindkurs wird die Luv-Boje nach Norden versetzt, so dass wir nicht ganz soweit hochfahren müssen; resp. nicht so nahe zum Felsen. Mit nur halb gelöstem Cunningham und wenig Mastwinkel rasen wir die beachtlichen Wellentäler hinunter Richtung Ziel und Hafen, im Wettstreit mit dem auf den Abend angekündigten Hack. Scotty spielt seine ganze Routine aus und gewinnt vor Gustavo, Alberto und Enrique.
Die beiden Foilerpiloten Bob und Gino warten auf das heranbrausende Classic-Feld an der Rampe und helfen Mann und Schiff sicher an Land zu bringen. Danke! Graham hat auch ein Einsehen und verzichtet, die drohende schwarze Wand am Himmel vor Augen, auf die obligate Bootskontrolle.


Scott Anderson, Winner Euro 2022

Der Donnerstag ist sehr speziell. Nachdem wieder die Foiler zuerst gesegelt sind, schickt uns die Rennleitung gegen 15:30h hinaus. Es hat bereits ordentlich Wind (22kn am Strand gemessen) und eine hohe Welle. Wir sind alle bereit in Neopren und doch ist bei den meisten eine gewisse Skepsis in den Gesichtern auszumachen. Die hereinfahrenden Foiler winken ab und reden von „viel Wind“, was unsere Motivation auch nicht fördert. Die Spanier und Italiener sind schon rausgefahren und ich will es auch versuchen, schliesslich ist Euro. Schon das Fixieren des Ruderblattes wird zum Balanceakt und ich musste dreimal ansetzen, um mit nur einem Ruder und einem Schwert durch die Wende zu kommen. Wegen eines Problems mit meinem Trapezbeschlag muss ich rumbasteln, während der Wind immer mehr auffrischt. Endlich kann ich mich einhängen und es geht los, wie es am Vortag aufgehört hat. Auf jeder Welle werde ich abgehoben und nach Lee versetzt. Auf „survival mode“ habe ich trotz Euro keine Lust. Ich beschliesse Mann und Schiff in einem Stück nach Hause zu bringen. Mit einer halsbrecherischen Halse gelingt es Schwert und Ruder wieder hochzuklappen und unter den verdutzten Gesichtern der wartenden Segler anzulanden. Einige versuchen trotz meiner Schilderungen doch noch hinauszukommen, ausser Scotty gelingt es keinem. So sind 10 Boote, sprich ein Drittel des Feldes am Start. Scotty hat noch versucht die Wettfahrtleitung umzustimmen. Als fairer Sportsmann will er gegen alle gewinnen und nicht nur gegen die Haudegen segeln, die noch rausgekommen waren. So werden zwei Läufe gesegelt und gewertet, was das Klassement ziemlich auf den Kopf stellt und mich vom 5. auf den 9. Rang versetzt.
Worauf die vom Staff an Land zugesicherten 15 kn basieren, die es auf der Regattabahn haben soll, ist der Fantasie des Lesers überlassen. Ein Mastbruch beim Halsen und ein Bruch eines Baumbeschlags sind selbstredend für die herrschenden Verhältnisse.
Ein sichtlich gezeichneter Scott meint nach den Rennen: „it was well over the class limits“.


Enrique Cornejo

Der Freitag bringt dann nochmal Champagne-Sailing mit Sonne und 13-15kn Ora vom Feinsten. Für Moritz gibt’s nach dem unfreiwilligen „Ruhetag“ kein Halten. Er segelt souverän beide Läufe nach Hause. Auch Matthieu gibt nochmals Gas, fängt mich im 8. Lauf auf der Ziellinie ab und erzielt mit dem dritten Rang sein Topresultat. Im letzten Lauf riskiere ich mit Blick auf das Gesamtklassement ein bisschen zu viel. Ich halse früher in der Hoffnung in der Seemitte eine Böe zu erwischen, die mich auf kürzestem Weg ins Ziel trägt um noch den einen oder anderen abzufangen. Schlechter Plan und mit dem 10. Rang fahre ich mein schlechtestes Resultat der Serie ein und werde in der Endabrechung 7. Mit Mathieu auf dem 11. sind die Schweizerfarben ordentlich vertreten.
Scotty gewinnt die Serie verdient vor Gustavo, der Europameister wird und Moritz. Dieser schrammt nur einem Punkt am Titel vorbei - verflixter Donnerstag.


Champaigne-sailing

Fazit: Die Regatta bleibt trotz einiger schwer nachvollziehbarer Entscheide der Wettfahrtleitung in bester Erinnerung. Sonne, Ora und Rainer sei Dank. Es war wunderbar nach Weymouth 2019 sich endlich wieder mal zu treffen, sich auszutauschen, zusammen zu segeln und miteinander Spass zu haben. Die Classic-Segler haben in den 7+2 Rennen fairen, spannenden Regattasport gezeigt. Die Boote und Riggs sind sehr ausgeglichen, so dass das individuelle Können die Hauptrolle spielt. Das zeigt sich auch darin, dass auf den ersten drei Plätzen drei verschiedene Segelfabrikate gefahren wurden.

In Toulon ist 2023 das nächste Treffen geplant. Ich werde da sein, wenn nichts dazwischen kommt und ich hoffe auf ein grosses Classic-Feld. Au revoir, Bruno, SUI 56

Quelle: alle Fotos von der Euro: https://www.a-cat.eu/ ; Circolo Vela Arco